Der Strommarkt wird liberaler

… und komplizierter.

Foto von Manprit Kalsi auf Unsplash

Am Wochenende habe ich gelernt:

Man kann nicht nur seinen Stromanbieter wechseln, sondern auch seinen Messstellenbetreiber. Dabei spielt dann auch noch der Netzbetreiber eine Rolle.

Ehrlich gesagt wundert es mich nicht, dass der Wettbewerb hier kaum so richtig ins Rollen kommt. Wer blickt da noch durch? Mit der gerade bevorstehenden Digitalisierung des Stromnetzes wird das ja nicht besser, laut Energiewirtschaftsgesetz (§40 Abs. 3) muss bis 30.12.2010 noch einiges passieren!

Deshalb habe ich das für mich nun mal ein wenig sortiert:

  1. Ich beziehe meinen Strom von einem Stromlieferant (z.B. envacom).
  2. Die Lieferung meines Stroms kommt jedoch nicht unbedingt über das eigene Netz des Stromlieferanten bis zu mir in die Wohnung. Bei mir gibt es einen Netzbetreiber, der die physikalische Infrastruktur (=Kabel) unterhält (z.B. Stadtwerke München, genauer eine Tochter “SWM Infrastruktur").
  3. Mein Stromverbrauch wird mit einem Stromzähler im Haus gemessen. Dieser wird zumeist ebenfalls vom Netzbetreiber unterhalten (macht irgendwie Sinn und klingt logisch!). Es besteht jedoch die Möglichkeit, eine dritte Firma (=**_Messstellenbetreiber_**) mit der Messung zu beauftragen (z.B. Yello). Dabei muss es sich nicht automatisch um einen anderen Stromlieferanten handeln. Es gibt wohl auch Firmen, die sich auf die Verbrauchsmessung spezialisiert haben.

Nun einmal rein hypothetisch gesprochen: Ich möchte gerne meine Verbrauchsmessung von Yello vornehmen lassen, dabei aber meinen Strom weiterhin über envacom beziehen. Yello bietet einen so getauften “Sparzähler” an, etwas besser formuliert einen SmartMeter, der den Momentanverbrauch direkt anzeigen und auswerten kann. Ohne auch (teuren) Strom von Yello zu beziehen heisst das “Produkt” allerdings SparzählerSolo. (Allen datenschutzrechtlichen Bedenken zum Trotz möchte ich das hypothetische Spielchen gerne fortführen, ich bitte dies zu beachten. :-) )

Ich wechsle nun also meinen Messstellenbetreiber und lasse Yello ein solches SmartMeter einbauen. Dabei hätte ich dann zwei unmittelbare Vertragsverhältniss: Einmal mit envacom für den Strom, einmal mit Yello für die Verbrauchsmessung. Mittelbar bleibe ich unvermeindlich (durch envacom) auch Kunde der SWM als Netzbetreiber.

Yello übermittelt die Verbrauchsdaten zur Abrechnung an envacom und lässt sich dies laut heutigem Angebot mit runden 10 Euro monatlich vergüten (Strom für den SparZähler inbegriffen).

Die spannende Frage dabei:

Der Stromlieferant muss für den Messstellenbetrieb keine Gebühr mehr an den Netzbetreiber abführen, da ich dies nun selbst beauftragt habe und eigenständig mit einem Messstellenbetreiber abrechne. Ich unterstelle mal: Der Stromlieferant spart sich also Geld, verlangt jedoch weiterhin die gleiche monatliche Grundgebühr von mir. Die erbrachte Leistung hat sich jedoch verändert. Eigentlich würde ich hier erwarten, dass zumindest die Grundgebühr um genau den Betrag sinkt, der nicht mehr an den Netzbetreiber abgeführt wird.

Zwar habe ich hierzu noch nicht tiefgründiger recherchiert, jedoch wird man als Kunde momentan nicht sonderlich gut darüber informiert, ob mein aktueller Stromanbieter in dem hier beschriebenen Fall auch rechtlich dazu angehalten ist, seine Grundgebühr entsprechend zu senken. Ich nehme an es gibt zwar fest regulierte Preise der Bundesnetzagentur, die genau regeln, wieviel monatliches Entgelt einem Netzbetreiber für den Messstellenbetrieb zusätzlich (oder anteilig) zu entrichten ist. Ich gehe aber mal stark davon aus, dass dies nicht berücksichtigt wurde, als man sich überlegt hat, den Messtellenbetreiber vom Netzbetreiber zu entkoppeln (liebe Politiker!). Rein rechtlich gesehen bin ich mir ziemlich sicher, dass ich zumindest auf dem Rechtsweg meine Grundgebühr beim Stromlieferanten vermindern könnte. Unweigerlich stellt sich allerdings auch die Frage: Muss ein Stromlieferant überhaupt weniger Entgelt an den Netzbetreiber bezahlen, wenn dieser nicht mehr die Leistung der Verbrauchsmessung übernimmt?

Hat sich jemand außer mir schonmal diese Fragen gestellt?

Auch interessant wäre, ob alle Stromanbieter prozessual bereits darauf eingestellt sind, monatliche Abrechnungen zu erstellen …

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Julian Pawlowski
Digital Strategy & Innovation Advisor

Über den Autor:
Julian führt Kunden durch den Dschungel der Digitalisierung. Seine Begeisterung für neue Technologien ist seit 25 Jahren ungebrochen. Wenn er nicht gerade den Weg aus dem digitalen Dschungel heraus absteckt, dann beschäftigt er sich mit der Programmierung seines Smarthomes – ganz zum Erstaunen seines Jack-Russel Terriers „Eddie”. Auch als Hobby Programmierer für die Open Source und Smarthome Community verfolgt er stets das Ziel, die Welt durch Technologie ein Stück weit besser zu machen.

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